Bewegung und der Hippocampus
Viele von uns kennen das: ein paar Wochen ohne Sport und die Kondition ist weg. Doch nicht nur unserem Körper tut es nicht gut, wenn wir uns weniger bewegen. Auch unser Gehirn leidet, wie US-Forscher von der University of Maryland herausgefunden haben. Bereits nach einem Sport-Stopp von zehn Tagen verschlechtert sich die Durchblutung unseres Gehirns messbar. Besonders betroffen ist der Hippocampus, der für das Gedächtnis eine entscheidende Rolle spielt und eine der ersten Hirnregionen ist, die bei Menschen mit Alzheimer schrumpft.
Der Hippocampus reagiert scheinbar auf Bewegung mit einem verstärkten Wachstum neuer Blutgefäße und Nervenbahnen und wirkt somit einem der Hauptrisikofaktoren für die Alzheimer-Demenz entgegen: die Arteriosklerose, also verkalkte Gefäße. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass das Risiko für eine Alzheimer-Demenz sich mit Bewegung und gesundem Lebensstil beträchtlich senken lässt.
Körperliche Betätigung führt also zu einer Vergrößerung des Hirngewebes, einschließlich des Hippocampus, und regt die Bildung neuer Nervenzellen an¹. In Tiermodellen konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass aerobes Training eine positiven Einfluss auf verschiedene Aspekte der Alzheimer-Krankheit hat. In einem aeroben Training arbeitet der Körper mit genügend Sauerstoff. Er kann so Fette und Kohlenhydrate verstoffwechseln, ohne dass Laktat gebildet wird. Diese Form des Trainings vermindert die Bildung der bei der Alzheimer-Demenz typischen Protein-Ablagerungen im Gehirn (Amyloid-beta und hyperphosphorylierte Tau-Ablagerungen). Sie wirkt Entzündungsprozessen im Gehirn (Neuroinflammation), dem oxidativen Stress (Bildung freier Radikale) und einer verminderten Glukoseaufnahme entgegen². Auch konnten Verhaltensauffälligkeiten und die Gedächtnisleistung bei Patienten mit beginnender Demenz durch körperliche Aktivität verbessert werden³.
Eine neue Studie unterstreicht den positiven Effekt von körperlicher Bewegung bei beginnender Demenz
Anfang 2021 wurden Erkenntnisse einer randomisierten kontrollierten Studie im Journal of Alzheimer’s Disease veröffentlicht⁴, die den positiven Effekt von körperlicher Bewegung auch bei moderaten Demenzsymptomen unterstreicht.
In der Studie wurden 96 ältere Erwachsene (66 Jahre oder älter) mit moderaten Demenzsymptomen in zwei Gruppen eingeteilt: Die Interventionsgruppe bekam als aerobes Training dreimal wöchentlich 20-50 Minuten Radfahren für 6 Monate verordnet. Die Kontrollgruppe sollte Dehnungs- und Bewegungsübungen mit der gleichen Häufigkeit durchführen. Sämtliche Teilnehmer mussten sich vor Beginn, während und nach der Studie dem sogenannten Alzheimer’s Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale (ADAS-Cog) unterziehen. Dies ist ein neuropsychologischer Beurteilungstest, der häufig in klinischen Studien verwendet wird, um den Schweregrad der kognitiven Symptome einer Demenz abzuschätzen.
Nach 6 Monaten stellte man fest, dass die radfahrenden Teilnehmer ein langsameres Fortschreiten der Krankheit aufwiesen als es normalerweise bei Alzheimer-Patienten beobachtet wird. Es gab jedoch keine signifikanten Unterschiede im kognitiven Abbau zwischen beiden Gruppen. Das könnte bedeuten, dass aerobes Training nicht wesentlich effektiver ist als Gymnastik oder Stretching. Eine Hypothese ist, dass das Ergebnis dadurch beeinflusst wurde, dass sich in der der Stretching-Gruppe unbeabsichtigt das Maß an sozialer Interaktion erhöht hatte: im Gegensatz zur Radfahrgruppe verbrachten diese Probanden mehr Zeit miteinander. Da Bewegung und soziale Interaktion die Kognition nachweislich in ähnlicher Weise positiv beeinflussen, könnte dies der Grund sein, warum es keinen signifikanten Unterschied im kognitiven Abbau zwischen den beiden Gruppen gab.
Auf alle Fälle bestätigt die Studie, dass körperliche Aktivität das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen kann. Sie unterstützt auch die zunehmend anerkannte Empfehlung eines multifaktoriellen Ansatzes im Kampf gegen die Alzheimer-Demenz Krankheit, die auch soziale Interaktionen und eine gesunde Ernährung miteinschließt.
Empfehlungen für Bewegung als präventive Maßnahme für Senioren
Regelmäßige aerobe Bewegung (z. B. zügiges Gehen, Laufen, Schwimmen, Radfahren…) sollte Teil der täglichen Routine sein.
Erwachsene ab 65 Jahren sollten mindestens 150 Minuten pro Woche mäßig intensive aerobe körperliche Aktivität oder mindestens 75 Minuten pro Woche intensive aerobe körperliche Aktivität (oder eine gleichwertige Kombination) durchführen.
Erwachsene dieser Altersgruppe mit eingeschränkter Mobilität sollten vor allem körperliche Aktivitäten zur Verbesserung des Gleichgewichts und zur Vermeidung von Stürzen durchführen, idealerweise an drei oder mehr Tagen pro Woche.
Muskelstärkende Aktivitäten, wie z. B. Hatha-Yoga, Bodybuilding oder Gymnastik sollten an zwei oder mehr Tagen pro Woche durchgeführt werden.
Erwachsene, die aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht in der Lage sind, das empfohlene Maß an körperlicher Aktivität auszuüben, sollten trotzdem im Rahmen ihrer Möglichkeiten so aktiv wie möglich bleiben.
Körperliche Bewegung sollte bei Menschen mit Demenz so lange wie möglich fortgesetzt werden, da sie sich nachweislich positiv auswirkt. Sie kann helfen, Muskelschwäche, Mobilitätsprobleme und weitere gesundheitliche Komplikationen zu verhindern, die mit Immobilisation einhergehen. Außerdem kann sie auch dazu beitragen, einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus zu fördern, die Stimmung zu verbessern und die soziale Teilhabe zu erhöhen.
1. Erickson KI, Voss MW, Prakash RS, et al. Exercise training increases size of hippocampus and improves memory. Proc Natl Acad Sci U S A. 2011 Feb 15;108(7):3017-22.
2. McGurran H, Glenn JM, Madero EN, Bott NT. Prevention and Treatment of Alzheimer’s Disease: Biological Mechanisms of Exercise. J Alzheimers Dis. 2019;69(2):311-338.
3. Baker LD, Frank LL, Foster-Schubert K, et al. Effects of aerobic exercise on mild cognitive impairment: a controlled trial. Arch Neurol. 2010 Jan;67(1):71-9
4. Yu F, Vock DM, Zhang L, et al. Cognitive Effects of Aerobic Exercise in Alzheimer’s Disease: A Pilot Randomized Controlled Trial. J Alzheimers Dis. 2021 Jan 26.