Das Gehirn ist ein großer Energieverbraucher. Es ist für ca. 25% des Gesamtenergieverbrauchs unseres Körpers. Besonders einfach kann diese Energie über den Blutzucker (Glukose) bereitgestellt werden.
Bei der heutigen westlichen Ernährungsweise steht Zucker unserem Körper im Überfluss zur Verfügung, mit vielen negativen Konsequenzen für unsere Gesundheit. Dabei ist Zucker nicht die einzige Möglichkeit der Energieversorgung. Es gibt Stoffwechselvorgänge in der Leber, die Energie über die Fettumwandlung und die sogenannten Ketonkörper bereitstellen können.
Der Begriff Ketonkörper (oder auch Ketokörper) bezeichnet eigentlich drei unterschiedliche Verbindungen, die vor allem im Hungerstoffwechsel in der Leber gebildet werden: Acetoacetat (auch Acetacetat genannt), Aceton und β-Hydroxybutyrat bzw. 3-Hydroxybutyrat. Diese Verbindungen bieten eine alternative Transportform der Energie. Nachdem die Energie durch die Zellen des zentralen Nervensystems und des Muskelgewebes aufgenommen wurde, werden die Ketonkörper wieder in den Zellbrennstoff ATP umgewandelt.
Darum können wir auch bei stark reduzierter Kohlenhydratzufuhr überleben, wie z. B. beim Fasten.
Was passiert bei einer ketogenen Ernährung?
Eine ketogene Ernährung ist eine streng kohlenhydratarme Ernährungsform, die gleichzeitig reich an Fetten und Proteinen ist.
Sie bietet eine Möglichkeit von den positiven Effekten des Fastens langfristig zu profitieren, ohne gleichzeitig einer Kalorienrestriktion ausgesetzt zu sein.
Während einer ketogenen Diät kann der Körper, genauso wie beim Fasten, seinen Energiebedarf nicht mehr decken und beginnt eigene Kohlenhydratspeicher aus Muskel- und Leberglykogen zu entleeren. Dies ist notwendig, da es Organe gibt, die rein auf Kohlenhydrate bzw. deren kleinsten Baustein Glukose angewiesen sind. Eines dieser Organe ist das Gehirn. Obwohl es nur 2% unseres Körpergewichts ausmacht, braucht es 25% der zugeführten Energie. Der Stoffwechsel ist unter Kohlenhydratverzicht gezwungen sich umzustellen, um das Gehirn weiter adäquat mit Energie zu versorgen. Es kommt zur Glukoseneubildung (Gluconeogenese) u. a. aus körpereigenen Aminosäuren. Hält der Kohlenhydratverzicht an, kommt es schließlich zur Bildung der bereits erwähnten Ketonkörper in der Leber. Dies kann als wichtiger Überlebensmechanismus betrachtet werden, um auch bei länger anhaltenden Fastenzeiten eine adäquate Energieversorgung des Gehirns aufrechtzuerhalten. Der Glukosebedarf des Gehirns sinkt von ca. 130g auf 40g am Tag und der Großteil wird nun über Ketonkörper abgedeckt.
Wie sieht eine ketogene Diät in der Praxis aus?
Die ketogene Diät ist unter Laien auch als „Anti-Krebs-Diät, „Anabole-Diät“, „Atkins-Diät" oder „Low Carb-Diät“ bekannt. Bei dieser Ernährungsform werden die Kohlenhydrate so stark reduziert und der Fettkonsum so stark erhöht, dass die Leber sogenannte Ketone (Abbauprodukt von Fettsäuren) als Alternative zu Glukose produziert, um den Körper auf diese Weise mit Energie zu versorgen. Diese kohlenhydratarme Ernährungsweise soll den Fettabbau ankurbeln und einer schnellen und anhaltenden Gewichtsabnahme ohne Hungergefühl, einer guten Gesundheit und der Prävention von Erkrankungen dienen.
Es haben sich folgende nennenswerte Formen der ketogenen Diät etabliert. Sie definieren sich v. a. durch einen unterschiedlich hohen Fettanteil am Energiebedarf ¹.
- Ketogene Diät 4:1 - 90% Fett, 4% Kohlenhydrate, 6% Proteine
- Ketogene Diät 3:1 - 86% Fett, 6% Kohlenhydrate, 8% Proteine
- Modifizierte Atkins Diät - 65% Fett, 8% Kohlenhydrate, 27% Proteine
Was heißt das konkret?
Im Fall der ketogenen Diät 3:1 geht man von einem Gewichtsverhältnis von 3:1, also 3 g Fett für 1 g Kohlenhydrat bzw. 1 g Protein. Für die Fette richten sich die absoluten Werte nach dem persönlichen Energiebedarf unter Berücksichtigung von Gewicht und Aktivität. Für die Kohlenhydrate liegt die Tagesmenge zwischen 20 und 40 g bei Erwachsenen, je nach Energiebedarf. Für die Proteine sind 0,8 bis 2,5 g pro kg Körpergewicht empfohlen, je nach Alter und Vorbelastung.
Generell gilt: je höher der prozentuale Fettanteil, desto höher die Ketose. In den ersten vier Wochen sollten nur 20 g Kohlenhydrate täglich aufgenommen werden, um eine stabile Ketose zu erreichen. Es kann auch mit einem Fasten begonnen werden, dann wird die Ketose meist schneller erreicht. Jedoch steigt auch das Risiko für Nebenwirkungen.
Jede weitere Woche wird die Kohlenhydratzufuhr um 5 g gesteigert bis 30–40 g pro Tag erreicht werden, abhängig von Energiebedarf und Stabilität der Ketose.
Beispiel für einen ketogene Diät Tagesplan
Eine ketogene Diät kann bspw. folgende Lebensmittel beinhalten: fettreichen Fisch, Nüsse, Saatgut, grüne Salate, ballaststoffreiches Gemüse, Gemüsekohl, Milchprodukte (in Maßen), pflanzliche Öle (reich an Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren) wie Oliven-, Raps-, Walnuss- oder Leinöl, Beerenobst und fettreiche Früchte wie Avocado. Auf kohlenhydratreduzierte Nudeln, Reis und Eiweißbrot kann zurückgegriffen werden. Ungesüßte Flüssigkeiten können und sollten nach Belieben konsumiert werden.
Mit dem folgenden Tagesplan bleibt man unter 30 g Kohlenhydrate (KH) am Tag. 40 g sind je nach individueller Ketosestabilität und Energiebedarf erlaubt. ²
Gibt es ketogene Lebensmittel?
Ketonkörper können auch direkt über die Nahrungsaufnahme gebildet werden, ohne den Umweg über den Hungerstoffwechsel gehen zu müssen. Eine Möglichkeit dafür bieten die sogenannten MCTs (MediumChainTriglycerides). Dank ihrer kompakten Größe werden MCTs nämlich direkt vom Darm über das Blut zur Leber befördert und zu energetischen Zwecken verstoffwechselt. Somit sind MCTs schnelle, den Stoffwechsel ankurbelnde Energieträger, die entweder unmittelbar zur Deckung des Energiebedarfs – etwa in der Skelettmuskulatur – verbrannt oder zur Produktion von Ketonkörper verwendet werden. Als Quellen dienen z. B. Kokosöl und sogenannte MCT-Öle.
Ist eine ketogene Ernährung gesund?
Grundsätzlich sind Fette wichtige Bausteine im Körper und erfüllen eine Reihe von wichtigen Funktionen. Sie sind u. a. Bestandteile der Zellmembran, Hauptbestandteil der Nerven-Ummantelung (Myelinhülle), Energielieferant und Energiespeicher. Sie unterstützen die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen, sind Ausgangpunkt für den Bau von Hormonen, fördern die Mineralstoffaufnahme im Darm, u. s. w.
Abgesehen von den industriell hergestellten Transfettsäuren gibt es also keine „schlechten“ oder „guten“ Fettsäuren. Dennoch kann ein großes Ungleichgewicht innerhalb der Fettsäure-Gruppen signifikante gesundheitliche Probleme hervorrufen. Dieses Ungleichgewicht besteht heutzutage insbesondere im Verhältnis zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren und innerhalb der mehrfach ungesättigten Fettsäuren zwischen den sogenannten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
Eine fettreiche Ernährung ist also nicht unbedingt problematisch, sofern auf ein gesundes Verhältnis zwischen Omega-3 und Omega-6 geachtet wird und gesunde Fettsäuren bevorzugt werden.
Ist die ketogene Diät gut für das Gehirn?
Wie weiter oben erwähnt, können die in der Leber hergestellten Ketonkörper das Gehirn mit Energie versorgen, ohne dass dafür Insulin erforderlich ist. Damit fungieren sie als Ersatzbrennstoff. Da neurodegenerative Erkrankungen, eng mit einer Insulinresistenz der Zellen zusammenhängen, liegt es nahe, dass eine ketogene Ernährung zu einer Verbesserung der Gehirnleistung führen kann.
Darum wird die ketogene Ernährung z. B. seit über einem Jahrhundert in der Epilepsie Therapie angewandt. Sie hat sich als nebenwirkungsarm und tolerabel gezeigt, sogar bei Kindern. Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes Typ 2 und um kardiovaskuläre Risikofaktoren einzudämmen, kann sie wirksam sein. Sie wird vermehrt als Ergänzung zu Standardtherapien bei Krebs und neurologischen Erkrankungen diskutiert.
Ketogene Ernährung bei Parkinson
In einigen Studien wirkt die Ernährung deutlich positiv auf motorische und kognitive Fähigkeiten. In anderen Studien wiederum verbesserte die ketogene Ernährung zwar kognitive Fähigkeiten, führte aber zu größerem Tremor (Zittern). Intermittierendes (intervall-, oder kurzzeit-) Fasten scheint hier sinnvoller.
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Ketogene Ernährung bei Multiple Sklerose
Lange stand der entzündliche Charakter der Multiplen Sklerose (MS) im Fokus, so dass alle derzeit zugelassenen Standardtherapien immunmodulatorisch wirken. Die neurodegenerative Komponente, die ebenfalls einen großen Anteil zum Krankheitsprogress beiträgt, wurde lange Zeit vernachlässigt. Studien am Tiermodell der MS (experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis) zeigen unter ketogener Diät einen Abbau reaktiver Sauerstoffspezies sowie Verbesserungen von motorischen Behinderungen und Gedächtnisleistung. ³ ⁴
In einer Pilotstudie der Berliner Charité mit MS-Patienten konnte eine Verbesserung der Lebensqualität sowie der Blutfette erzielt werden. Zudem konnte die Machbarkeit und Sicherheit ketogener Diäten für einen Zeitraum von 6 Monaten bei 60 Patienten belegt werden. ⁵
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Welche Risiken birgt eine ketogene Diät?
Eine ketogene Diät sollte stets ärztlich überwacht und begleitet werden
Es ist untern anderem wichtig regelmäßig den Ketosewert zu bestimmen. Hier sind Messungen im Blut Messungen im Urin vorzuziehen, um die zirkulierende Ketonkörperkonzentration zu erhalten. Gemessen werden sollte immer morgens, nüchtern, ca. 30–60 min nach dem Aufwachen, um hohe Cortisolwerte zu vermeiden, die den Ketosewert beeinflussen.
Mögliche allgemeine Nebenwirkungen der ketogenen Ernährung
Die ketogene Ernährungsweise führt insbesondere in der Anfangsphase der Ernährungsumstellung häufig zu Durchfall, Verstopfung, Übelkeit und/oder Müdigkeit. Häufig sinkt die Leistungsfähigkeit und man wird unkonzentriert. Diese Beschwerden sollten sich jedoch nach einigen Wochen wieder legen. Langfristig kann es durch den erhöhten Proteinanteil in der Nahrung zu Nierensteinen und einer reduzierten Knochenmasse kommen. Langfristig kann das Risiko an Gicht zu erkranken ansteigen. Außerdem können erhöhte Blutfettwerte auftreten, weshalb viele Ernährungswissenschaftler von der fettreichen Kost abraten. Sind die Blutfettwerte über Jahre erhöht, kann dies ernsthafte Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem haben und Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) begünstigen.
Erhöhtes Schlaganfallrisiko bei ketogener Diät?
Das Risiko einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden, kann dadurch wahrscheinlicher werden. Bei gleichzeitigem Verzicht auf Kohlenhydrate und einem erhöhten Konsum von pflanzlichen Fetten scheint es jedoch Regulationsmechanismen zu geben, die einen Anstieg von Blutfetten und Herz-Kreislauf-Parametern zumindest kurzfristig verhindern. Es fehlen derzeit noch Studien zu Langzeitfolgen. Eine Schweizer Forschergruppe hat in einer Metastudie die Auswirkungen ketogener Diäten auf kardiovaskuläre Risikofaktoren untersucht. Es wurden Effekte zwischen Tiermodell und Mensch (nur Erwachsene) verglichen und gezeigt, dass sich im Tiermodell kardiovaskuläre Risikofaktoren unter ketogener Diät verschlechterten. Beim Menschen hingegen konnten sie verbessert werden. Gezeigt werden konnte dieser Gegensatz für Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Blutdruck sowie Kurz- und Langzeitblutzuckerspiegel. ⁶
Ketogene Diät und Jo-Jo-Effekt
Nicht selten verursacht der Verzicht auf Kohlenhydrate während der ketogenen Diät Heißhunger. Wird diese abgebrochen oder wird geschummelt, indem hin und wieder größere Mengen Kohlenhydrate auf dem Speiseplan stehen, kann dies schnell zu einer Gewichtszunahme führen, da Kohlenhydrate in Kombination mit der sonstigen fettreichen ketogenen Ernährung sehr viel Energie liefern. Bei plötzlichem Diätabbruch kommt es häufig zu einem sogenannten Jo-Jo-Effekt.
Den meisten Nebenwirkungen kann bei engmaschiger ärztlicher Überwachung gut entgegengewirkt werden.
Gibt es Kontraindikationen zu einer ketogenen Ernährung?
Die ketogene Diät sollte nicht durchgeführt werden bei:
- Hyperinsulinismus: häufige und übermäßige Produktion des Hormons Insulin
- Pyruvatcarboxylasemangel: sehr seltene angeborene neurometabolische Erkrankung mit den Hauptmerkmalen bereits im Kindesalter auftretender metabolischen Azidose (Übersäuerung, Absinken des PH-Wertes), Gedeihstörung (Verzögerung der körperlichen Entwicklung eines Kindes)
- Fettsäureoxidationsstörungen (Stoffwechselstörungen)
- Akuter Porphyrie (Gruppe von Stoffwechselerkrankungen) sowie weiteren seltenen Stoffwechselstörungen, bei denen Ketone nicht auf- und abgebaut werden.
¹ ² Bahr LS, Bellmann-Strobl J, Michalsen A. Die ketogene Diät – was sie kann, wie sie wirkt und wie sie gelingt. zkm 2018; 2: 22–29
³ Kim DY, Hao J, Liu R et al. Inflammation-mediated memory dysfunction and effects of a ketogenic diet in a murine model of multiple sclerosis. PLoS ONE 2012; 7 (5): e35476. doi: 10.1371/journal.pone.0035476
⁴ Choi IY, Michalsen A, Longo VD et al. A diet mimicking fasting promotes regeneration and reduces autoimmunity and multiple sclerosis symptoms. Cell Rep 2016; 15 (10): 2136–2146
⁵ Bock M, Michalsen A, Paul F. Ketogenic diet and prolonged fasting improve health-related quality of life and lipid profiles in multiple sclerosis – A randomized controlled trial. ECTRIMS Online Library 2015; 2015; Barcelona.
⁶ Kosinski C, Jornayvaz FR. Effects of ketogenic diets on cardiovascular risk factors: evidence from animal and human studies. Nutrients 2017; 9 (5). pii: E517. doi: 10.3390/nu9050517).